Heute war es wieder soweit. Die Uhrzeit ist 02:21, selbst für mich als Student in der Vorlesungsfreien Zeit, also am Lernen, schon verdammt spät. Vor etwa 18 Stunden, oder 319 Seiten früher hatte mich heute morgen der Paketzusteller von DHL aus dem Bett geklingelt mit dem Buch von amazon, das ich am Freitag bestellt hatte. An diesem Tag hatte ich, wie fast immer, auf meine Kommilitonen in der Mensa gewartet und etwas gelangweilt die neue Unicum-Zeitschrift aufgeschlagen. Beim Durchblättern fiel mir ein Bild besonders auf, eine Asiatin und daneben ein junger Mann, der sich die Augenfabe bei mir geborgt zu haben schien, während seine Frisur wiederum ein Langzeitziel für mich darstellen könnte ;)
Beim Lesen des Artikels (auf www.unicum.de) hatte ich ein leichtes De-ja-vue-Erlebnis, wahrscheinlich war mir die Geschichte der beiden schon irgendwo einmal begegnet, auf dem Fußweg zum Institut las ich mir den Artikel erst etwas gelangweilt, dann noch einmal erheblich interessierter durch.
Benjamin Prüfer, ein 23jähriger Journalist aus Hamburg will seinem grauen Alltag entfliehen und bucht leicht betrunken Tickets für eine Backpacker-Tour durch Südostasien. In Phnom Phen lernt er Sreykeo in einer Diskothek kennen und beide verlieben sich ineinander. Sie stellen fest, das Sreykeo sich mit dem HI-Virus infiziert hat und so beginnt eine ziemlich bewegte Geschichte um Geld, kambodschanische Sitten und Gebräuche, das Verhältnis West und Ost und auch, oder hauptsächlich, von Liebe.
Der Klappentext, den der Fischer-Verlag auf das Buch gedruckt hat und auch der Titel "Wohin Du auch gehst" deuten eigentlich auf einen schauderlich-schlechten Betroffenheitsroman hin. Aids, Prostitution und ein vom Krieg zerstörtes Land bieten eigentlich beste Voraussetzungen dafür und trotzdem ist es etwas ganz anderes geworden:
aus der Ich/Wir-Perspektive schreibt Benjamin Prüfer ungeschönt und unzensiert alles auf, Streitereien, seine Gefühle, ihre Gefühle, selbst die in tollkühnem Englisch verfassten SMS sind teilweise abedruckt. Und trotzdem gibt es in dem ganzen Buch eigentlich keine Stelle an der ich das Gefühl hatte, die Stelle hätte da jetzt nicht hineingehört. Der Buchneuling (Benjamin Prüfer war vorher bei der Financial Times als jüngster seitenverantwortlicher Redakteur beschäftigt) schafft es, ohne den Sex-Sells-Faktor und in einer Form, die es den beiden immernoch problemlos ermöglicht in Hamburg zu leben und zu arbeiten, die Ups- und Downs in der Beziehung gekonnt aufzuschreiben. Vom ersten Kennenlernen, der Erkenntnis vom Sreykeo ihr Geld verdient, über die Erkenntnis der AIDS-Erkrankung, über zwei "It's over" und die immer schlimmer werdende finanzielle Situation in Deutschland und eine Hochzeit kämpfen sich die beiden in Richtung Happy End (hehe, sonst hätte es wohl auch kein Buch gegeben, also habe ich nicht zuviel verraten :D)
Warum ich dieses Buch toll finde? Einfach gestrickte Personen würden jetzt mal wieder sagen, der hat ne Freundin mit indonesischen Verwandten, da hat man ja wohl ein Faible für diese Region und blablabla. Vielleicht hat das auch eine Rolle gespielt dass ich auf der Unicum-Seite hängengeblieben bin. Aber meine Entscheidung 16,90 Euro für ein Buch auszugeben wurden eigentlich von dieser Seite beeinflusst, nämlich der Original-Artikel in der Zeitschrift NEON aus dem Jahre 2006. Und danach war klar: dieses Buch musste ich haben!
Ich wurde absolut nicht enttäuscht, meine Erwartungen ein spannendes Buch zu lesen wurden sogar noch übertroffen. Die Rahmenhandlung gibt einen interessanten Einblick in das Leben in Kambodscha und auf Rucksack-Tourismus und auf die kulturellen Unterschiede. Aber eigentlich ist es die Geschichte von zwei jungen Menschen, die sich wirklich und aufrichtig lieben.
Als ich das Buch gelesen habe, musste ich an ganz vielen Stellen natürlich auch an Sara und mich denken. Braunschweig ist nicht Hamburg und Hannover nicht Phnom Phen, aber egal wo ist der erste Besuch bei den Eltern der Freundin immer ein spannender Moment. Wie reagieren die Freunde auf die "neue" und wie verstehen sich die Familienmitglieder?
Es ist auch ermutigend zu erfahren, das auch andere Menschen Fehler machen und man trotz so vieler Unsicherheiten, Fallen und Missverständnisse darauf vertrauen kann, dass die Liebe doch die stärkste Kraft ist. Zum Glück auch oftmals stärker als der rationale Verstand.
- der Neon-Artikel (der Original-Artikel von 2006, der dann zum Schreiben des Buchs führte)
- Benjamin Prüfers Seite bei Neon (mit noch mehr Artikeln und Interviews)
- das Buch bei amazon.de (kann natürlich auch bei mir geliehen werden, ich habs ja durch :D )
- kleines Update: ein sehr interessantes Interview in der taz
3 Kommentare:
Sehr gut und interessant geschrieben... über ein Buch was ich wahrscheinlich nie kaufen und lesen würde... ich habs ja überhaupt nicht so mit Asien usw. =) Ich lese grad die Biographie über (nicht von) Hillary, das Buch ist echt mega lang, aber super interessant geschrieben und wenn man zu den interessanten Stellen vorblättert gehts.
Freut mich zu hören, dass Du in der semesterfreien Zeit doch etwas sinnvolles machst und den Blick für die wirklich wichtigen Dinge im Leben immer noch besitzt. Hau rein Keule und bis demnächst in Ingeln zu BBQ und Biersche
lange nix neues mehr... =)
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